Fußball mag meine Profession sein, vor allem aber ist es meine Leidenschaft. Und die manifestiert sich in erster Linie am Lieblingsverein. Schön, dass man diesbezüglich im Fußball durchaus polygam und grenzüberschreitend unterwegs sein darf!
Im Mai 1975 sah ich Göttingen 05 das erste Mal spielen und verliebte mich sofort in den Verein. Damals war es noch 2. Bundesliga Nord (mein Debüt war ein 1:1 im strömenden Regen gegen die SpVgg Erkenschwick), doch die Zukunft sollte drittklassige Oberliga Nord heißen. Und so lernte ich den Fußball-Norden kennen, kam nach Hoisdorf und Herzlake, in die Lübecker Lohmühle, sah 05 bei Eintracht Braunschweig und Hannover 96 Punktgewinne feiern.
Doch wie das mit der Liebe manchmal so ist – mitunter endet sie tragisch. Fast 40 Jahre hielt ich dem Verein durch dick und dünn, durch (wenige) Höhen und (viele) Tiefen die Treue, ehe wir uns im Spätherbst 2013 für immer trennten. Vorausgegangen war eine Insolvenz und die Auflösung des 1. SC 05, eine wunderbare Vereinigung der Neugründung FC 05 mit dem RSV Geismar zum RSV Göttingen 05, die mir die schönsten Fußballjahre meines Lebens bescherte und schließlich eine in meinen Augen fatale Aufspaltung in RSV 05 und I. SC 05, die meine Liebe unrettbar zerbrechen ließ.
Ich weiß, man gibt seinen Verein nicht auf. Aber manchmal gibt der Verein einen auf.
R.I.P. 1. SC 05.
Nach meiner Rückkehr aus Afrika 2011 wurde ich vom damaligen RSV 05 empfangen und durfte eine Ehrenrunde durch das Stadion drehen. Tradition never dies!
Als ich Mitte der 1980er Jahre das damals noch legendäre Fußball-England zu bereisen begann, war ich wie so viele sofort angefixt von der Atmosphäre. Hier und dort entwickelte ich Sympathien für einen Verein oder eine Fanszene, anderswo schreckten mich die Dinge eher ab.
Im September 1993 kam ich zum ersten Mal zu den Bristol Rovers, die damals noch in Bristols Nachbarstadt Bath spielten, weil sie ihr
eigenes Stadion Eastville an einen Supermarkt verloren hatten. Der Twerton Park war eine rumpelige Fußballbühne, der Klub ein grimmiger Underdog aus einer von Schweiß und harter Arbeit geprägten
Stadt, in der ich mich auf Anhieb sehr wohl fühlte. Der erste Spielbesuch blieb nicht zuletzt wegen des grandiosen „Goodnight-Irene“-Chors der Rovers-Fans im Gedächtnis, und ein halbes Jahr
darauf war ich erneut im Twerton Park zu Besuch. Als ich dann wenig später zum dritten Mal bei den Rovers aufschlug, kaufte ich bereits eines dieser großartigen Trikots mit den blau-weißen
Vierecken und wurde zum Gashead, der selbst in tristen Conference-Zeiten treu blieb. Zum Dank bescherte mir die Rückkehr ins Profilager 2015 im Wembleystadion im Elfmeterschießen gegen
Grimsby Town die wohl intensivsten Sekunden meines ganzen Fanlebens - glücklicherweise mit Happy-end. Rovers till I die!
Vor einigen Jahren erschien ein Porträt über mich in der Stadionzeitung der Rovers.
Ein Sommerjob auf einem bretonischen Campingplatz brachte mich 1996 zu En Avant Guingamp (ausgesprochen: "Gähngomm"), die damals gerade zum ersten Mal in die Ligue 1 aufgestiegen waren. 8.000 Einwohner, eine überwältigende Atmosphäre und ein Klub, der offensiv mit seinem bretonischen Erbe kokettierte und in dessen Team ein ganzer Haufen Bretonen stand – das fand ich ausgesprochen sympathisch. Bald lernte ich andere Fans kennen, aus denen liebe Freunde wurden, reiste ich wann immer es ging zu Auswärts- und Heimspielen, wurde „fier d’etre Guingampais“. 2002/03 sah ich das grandiose Duo Didier Drogba/Florenz Malouda spielen, und 2009 sowie 2014 war ich im Stade de France dabei, als „les paysans“ („die Bauern“) jeweils Pokalsieger wurden. 2010 wiederum stieg ich auf der weinenden Kop Rouge mit in die drittklassige National ab und war 2013 prompt wieder live dabei, als die Rückkehr in die 1. Liga glückte. Eine Fanreise durch alle Höhen und Tiefen also.
Was mich berührt, ist die warmherzige Atmosphäre im Stade Roudourou, das einerseits ein tobender Hexenkessel sein kann, andererseits aber nie den Respekt vor dem Gegner vermissen lässt.