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Der Balkan und die Politik

Gestern wurde während der zweiten Halbzeit im albanischen Block ein Lied angestimmt, in dem es um den Kosovo ging. Viel verstand ich nicht, also fragte ich "was singt ihr da?". Die Erklärung kam prompt: "Die Serben sagen, Kosovo sei das Herz von Serbien. Also sagen wir, Kosovo ist das Herz von Albanien".


Politik und Fußball lassen sich auf dem Balkan nicht trennen. Da geht es nicht um pinke Trikots oder Armbinden in Regenbogenfarben. Da geht es um Krieg. Um geopolitische Dauerbrennpunkte, um Ethnie, Zugehörigkeit, Einflussnahme. Und um Feindbilder. Alles nicht schön, ich sah diverse Fans mit UCK-Fahnen, die auch wiederholt verbal abgefeiert wurde.


Albaner und Kroaten verstanden sich prima. In der proppenvollen S-Bahn wurde viel miteinander gelacht, erfreute man sich an den eigenen Gesängen und auch an denen der jeweils anderen Mannschaft. Es war eine großartige Atmosphäre, friedlich und fröhlich. Und dennoch hochpolitisch. Denn Serbien ist der gemeinsame Feind, an dem man sich abarbeitete.


Wundert es jemanden nach den Balkankriegen, nach dem Kosovokrieg, nach all dem, was in der jüngeren Vergangenheit passiert ist? Was bis heute schwelt und ständig überzukochen droht? In meinem Buch erzähle ich die Geschichte vom EM-Qualifikationsspiel am 23. Februar 2014 in Belgrad, das abgebrochen wurde, als eine Drohne mit einer Fahne mit dem Grundriss Großalbaniens über das Spielfeld flog. Albaniens Nationalspieler Valdet Rama sagte damals "Schon vor dem Spiel haben wir den Hass der serbischen Fans zu spüren bekommen. Egal ob auf dem Weg ins Stadion im Bus oder beim Warmmachen".


Den Serben geht es übrigens ähnlich, wenn sie nach Tirana kommen. In diesem Konflikt sind die Täter Opfer und die Opfer Täter.